Zur Amtspflichtverletzung bei falscher Rentenberatung

OLG München, Urteil vom 4. August 2011 – 1 U 5070/10

Zur Amtspflichtverletzung bei falscher Rentenberatung

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers hin wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 07.10.2010 wie folgt abgeändert:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 23.592,16 nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 22.02.2010 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 01.03.2010 bis zu dessen Tod, längstens bis zum 01.07.2013 einschließlich, jeweils zum Ersten eines jeden Kalendermonates € 1.468 zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

III. Von den Kosten des Verfahrens 1. und 2. Instanz tragen der Kläger 64 % und die Beklagte 36 %.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern der Vollstreckende nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger macht gegen die Beklagte Amtshaftungsansprüche wegen fehlerhafter Rentenberatung geltend.

Der am 06.07.1948 geborene Kläger war bis zum 30.09.2003 als Angestellter im Bankgewerbe rentenversicherungspflichtig tätig. Vom 01.01.2004 bis 31.01.2005 war der Kläger arbeitslos gemeldet und bezog entsprechende Leistungen. In der Folgezeit war der Kläger selbständig tätig, beendete diese Tätigkeit jedoch zum 31.12.2006. Eine erneute Arbeitslosmeldung erfolgte nicht.

Am 31.05.2006 suchte der Kläger die Beratungsstelle der Beklagten in K. auf, um sich über die Möglichkeit, Altersrente zu beziehen, zu informieren. Der Kläger wurde dort von einem Mitarbeiter der Beklagten, dem Zeugen M., beraten. Dem Kläger wurde dabei die Berechnung einer Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit übergeben (Anlage K 1).

Am 12.03.2008 stellte der Kläger bei der Beklagten einen Antrag auf Gewährung von Altersrente nach § 237 SGB VI. Der Antrag wurde von der Zeugin E. entgegen genommen.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 29.04.2008 ab. Die Rechtsmittel des Klägers gegen diesen Bescheid blieben erfolglos. Der Kläger war weder in dem von § 237 SGB VI geforderten Umfang arbeitslos gewesen noch hatte er in den letzten zehn Jahren vor Beginn der Rente die von dieser Vorschrift geforderten Pflichtbeiträge erbracht.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug die Auffassung vertreten, dass ihn der Zeuge M. am 31.05.2006 falsch beraten habe. Der Zeuge habe es pflichtwidrig unterlassen, den Kläger darüber aufzuklären, dass dieser gegenwärtig die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Altersrente gemäß § 237 SGB VI nicht erfülle, der Kläger jedoch durch Nachzahlung von Beiträgen und Arbeitslosmeldung bis zum Rentenbeginn die für die Rentengewährung erforderlichen Voraussetzungen noch herbeiführen könne. Vielmehr habe der Kläger aufgrund der ihm übergebenen Proberechnung darauf vertrauen können, dass ihm die dort genannten Rentenansprüche mit Vollendung des 60. Lebensjahres zustünden.

Aus der von der Zeugin E. verfassten Niederschrift vom 12.03.2008 sei bereits ersichtlich, dass eine ordnungsgemäße Beratung des Klägers durch den Zeugen M. nicht erfolgt sei.

Der Kläger macht zum einen den Schaden geltend, der ihm daraus entsteht, dass er mit Vollendung des 60. Lebensjahres keine Rente nach § 237 SGB VI erhält.

Zum anderen sind die Fälligkeit der Betriebsrente des Klägers sowie die Fälligkeit einer weiteren privatrechtlichen Zusatzversorgung an den Bezug der gesetzlichen Altersrente gekoppelt. Der Kläger macht deshalb auch die Schäden geltend, die ihm daraus entstehen, dass er diese Privatrenten erst zu einem späteren Zeitpunkt beziehen kann. Des Weiteren macht der Kläger den Schaden geltend, der ihm aus der vorzeitigen Auflösung einer Lebensversicherung entstanden ist.

Der Kläger hat im ersten Rechtszug beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 81.413,89 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 53.773,44 seit 25.08.2009 sowie aus € 27.640,45 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger, beginnend ab 01.03.2010 bis zum 31.07.2013, monatlich € 3.864,31 jeweils zum 1. eines jeden Kalendermonats zu zahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.429,27 vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu zahlen.

Die Beklagte hat im ersten Rechtszug

Klageabweisung

beantragt.

Die Beklagte hat vorgebracht, dass der Kläger durch den Zeugen M. ordnungsgemäß beraten worden sei. Die dem Kläger übergebene Proberechnung der Rentenansprüche enthalte lediglich Rentenanwartschaften. Bereits aus dem Vermerk auf dieser Proberechnung ergebe sich, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht geprüft worden seien. Es sei ersichtlich gewesen, dass es sich nicht um eine abschließende Bewertung handele. Der Zeuge M. habe den Kläger darauf hingewiesen, dass er bislang die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente nach § 237 SGB VI nicht erfülle. Das Problem der fehlenden Pflichtbeiträge und der Fehlzeiten bei der Arbeitslosigkeit sei vom Zeugen M. angesprochen worden.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen M.

Mit Urteil vom 07.10.2010, dem Klägervertreter zugestellt am 08.10.2010, auf das wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das Landgericht Kempten (Allgäu) die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 20.10.2010 eingegangene Berufung des Klägers, die der Kläger nach Fristverlängerung am 10.01.2011 begründet hat.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Beweiswürdigung des Landgerichts unzureichend ausgefallen sei. Insbesondere habe das Landgericht nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Zeuge M. keine konkrete Erinnerung an das Beratungsgespräch mit dem Kläger habe. Der Zeuge M. habe den Kläger weder darauf hingewiesen, dass derzeit die Voraussetzungen für eine Gewährung einer Altersrente nach § 237 SGB VI nicht erfüllt seien, noch dass der Kläger bis zum Rentenbeginn diese Antrags-voraussetzungen durch Arbeitslosmeldung und Nachzahlung von Pflichtbeiträgen herbeiführen könne. Das Landgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass der Zeuge M. ein Interesse daran haben könne, eine von ihm verschuldete Haftung von seinem Arbeitgeber abzuwenden.

Der Kläger beantragt:

1. Das Urteil des Landgerichts Kempten vom 07.10.2010 wird aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 81.413,89 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus € 53.773,44 seit 25.08.2009 sowie aus € 27.640,45 seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

3. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger, beginnend ab 01.03.2010 bis zum 31.07.2013, monatlich € 3.864,31 jeweils zum 1. eines jeden Kalendermonats zu bezahlen.

4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.429,27 vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Meinung, dass das Landgericht die Beweise zutreffend gewürdigt habe. Die Aussage des Zeugen M. belege eine ordnungsgemäße Rentenberatung des Klägers.

Hilfsweise macht die Beklagte geltend, dass, soweit der Kläger auch Schadensersatz dafür verlange, dass Privatrenten erst zu einem späteren Zeitpunkt zur Auszahlung gelangten, dieser Schaden nicht im Schutzzweck der vom Kläger behaupteten Pflichtverletzung der Beklagten liege.

Jedenfalls müsse sich der Kläger die Pflichtbeiträge, die er zur Herbeiführung der Voraussetzungen der Gewährung einer Altersrente nach § 237 SGB VI hätte nachzahlen müssen, als Vorteil bei der Schadensberechnung anrechnen lassen.

Der Senat hat im Termin vom 12.05.2011 den Kläger als Partei angehört und die Zeugen M. und E. vernommen.

Im Übrigen wird bezüglich des Parteivorbringens in der Berufungsinstanz auf die Schriftsätze des Klägers vom 10.01., 25.05., 08.06. und 20.07.2011 sowie auf die Schriftsätze der Beklagten vom 10.03., 26.05. und 18.07.2011 verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist teilweise aus § 839 Abs. 1 BGB i. V. m. Art. 34 GG begründet.

A)

I.

Der Beklagten fällt eine Amtspflichtverletzung zur Last.

351. § 14 SGB I verpflichtet die Leistungsträger der gesetzlichen Sozialversicherung, die Versicherten über deren Rechte nach dem Sozialgesetzbuch zu beraten. Amtliche Auskünfte müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs richtig, vollständig und unmissverständlich sein (z. B. BGH NJW 1978, 371, Rn. 19; BGH NJW 2003, 3049, Rn. 8). Zur Vollständigkeit gehört hier, da die komplizierten, ständiger Veränderung unterliegenden Voraussetzungen von Ansprüchen aus der gesetzlichen Sozialversicherung für den Versicherten aus eigenem Wissen nur sehr eingeschränkt überschaubar sind, im Regelfall auch eine Beratung über naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherten, die es diesem ermöglichen, die erstrebte sozialversicherungsrechtliche Position zu erlangen. Der Zeuge M. war deshalb verpflichtet, den Kläger am 31.05.2006 auch darüber zu unterrichten, dass und warum die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente gemäß § 237 SGB VI derzeit nicht erfüllt sind. Insbesondere musste der Zeuge den Kläger aber auch eindeutig und unmissverständlich darüber unterrichten, dass dieser die Anspruchsvoraussetzungen durch Arbeitslosmeldung und Nachzahlung von Pflichtbeiträgen bis zum maßgeblichen Rentenalter noch herbeiführen konnte.

2. Als Anspruchsteller muss der Kläger die Amtspflichtverletzung der Beklagten beweisen (BGH NJW 78, 371, Rn. 21; Palandt-Sprau, 70. Aufl., Rn. 41 zu § 839 BGB). Der Kläger muss deshalb beweisen, dass die Beratung durch den Zeugen M. am 31.05.2006 nicht den unter Ziffer 1 dargelegten Anforderungen genügt hat.

Etwas Anderes würde nur dann gelten, wenn es um interne Vorgänge aus dem Bereich der Beklagten ginge, die dem Einblick des Klägers weitgehend entzogen sind und die die Beklagte kennt oder problemlos ermitteln könnte (BGH NJW 78, 371, Rn. 21 f.). Dies ist jedoch hier nicht der Fall. Der Kläger hat in das Beratungsgespräch vom 31.05.2006 den gleichen Einblick wie die Beklagte. Für die Beklagte ist die Aufklärung von dessen Inhalt ebenso problembehaftet wie für den Kläger.

Allerdings trägt der Senat der Tatsache, dass die Beklagte, auch wenn dieser vom Kläger benannt wurde, im Ergebnis einen in ihrem Lager stehenden Zeugen ins Feld führen kann, während dem Kläger, da es sich um ein Vier-Augen-Gespräch handelt, kein Zeuge zur Verfügung steht, dadurch Rechnung, dass das Ergebnis der Anhörung des Klägers als Partei gleichwertig mit der Aussage des Zeugen M. in die Beweiswürdigung eingestellt wird.

3. Der Kläger hat eine Amtspflichtverletzung der Beklagten zur Überzeugung des Senats bewiesen.

a) Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger die Zeugin E. am 12.03.2008 in der Überzeugung aufgesucht hat, dass ihm eine Altersrente nach § 237 SGB VI zusteht. Dies ergibt sich primär aus der Zeugenaussage E. und ergänzend auch aus den Angaben des Klägers, der auf den Senat einen glaubhaften und seriösen Eindruck gemacht hat.

Der Senat ist davon überzeugt, dass diese irrige Einschätzung des Klägers darauf beruht, dass der Zeuge M. den Kläger beim Beratungsgespräch vom 31.05.2006 unzureichend darüber unterrichtet hat, dass dieser gegenwärtig die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente nach § 237 SGB VI nicht erfüllt, jedoch bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres durch Arbeitslosmeldung und Nachzahlung von Pflichtbeiträgen die Voraussetzung für die Gewährung einer Altersrente noch herbeigeführt werden können.

b) Angesichts des beruflichen Herkommens des Klägers und des Eindrucks, den der Senat bei der Anhörung vom 12.05.2011 vom Kläger gewonnen hat, schließt es der Senat aus, dass der Kläger eine richtige, vollständige und unmissverständliche Auskunft des Zeugen M. nicht verstanden oder missverstanden haben könnte.

c) Der Senat schließt es auch aus, dass der Kläger, obwohl vom Zeugen M. ausreichend im vorgenannten Sinn beraten und unterrichtet, aus anderweitigen Gründen davon abgesehen hat, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente gemäß § 237 SGB VI herbeizuführen. Eine solche Einschätzung hält einer Kosten-Nutzen-Analyse aus Sicht des Klägers nicht stand. Es wäre für den Kläger massiv vorteilhaft gewesen, wenn er schon ab Vollendung des 60. Lebensjahres und nicht erst fünf Jahre später eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung hätte beziehen können. Die monatliche Rentenleistung hätte den namhaften Betrag von € 1.468,– ausgemacht. Zwar hätte der Kläger im Gegenzug eine Minderung der regulären Altersrente ab dem 65. Lebensjahr um 18 % hinnehmen müssen. Diese Minderung wiegt jedoch, abgesehen vom Zinsvorteil, innerhalb der statistisch mutmaßlichen Lebenszeit des Klägers den finanziellen Vorteil durch den vorzeitigen Rentenbezug bei weitem nicht auf. Dies gilt auch dann, wenn zusätzlich berücksichtigt wird, dass sich etwaige Rentenerhöhungen nach der Vollendung des 65. Lebensjahres dann aus einer um 18 % reduzierten Basis berechnet hätten.

Auch die erforderliche Nachzahlung von Pflichtbeiträgen in Höhe von insgesamt € 4.299,84 war bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht geeignet, den Kläger davon abzuhalten, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente gemäß § 237 SGB VI herbeizuführen. Der Kläger war auch problemlos in der Lage, diese Nachzahlung zu erbringen.

d) Der gelben Markierung des Wortes Arbeitslosigkeit auf dem Original der dem Kläger übergebenen Rentenberechnung sowie dem dort angebrachten Stern und Pluszeichen misst der Senat bei der Beweiswürdigung, da diese Zeichen ohne wesentlichen eigenständigen Aussagegehalt sind, keine wesentliche Bedeutung zu.

e) Keine Bedeutung bei der Beweiswürdigung (zu Gunsten des Klägers) hat der Vermerk der Zeugin E. vom 12.03.2008. Die Einvernahme der Zeugin hat ergeben, dass dieser Vermerk nicht auf eigenständigen Feststellungen der Zeugin, sondern auf dem als wahr unterstellten Vorbringen des Klägers beruht.

f) Es kann, da der Kläger den Zugang dieses Schreibens bestritten und die Beklagte diesen nicht beweisen kann, dahingestellt bleiben, ob der Kontenklärungsverlauf vom 08.06.2006 die von der Beklagten zu erbringenden Informationen enthalten hätte.

g) Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass der Zeuge M., der sich verständlicherweise an das Beratungsgespräch mit dem Kläger nicht mehr erinnern kann, aus Gründen, die der Senat nicht aufklären kann, entgegen seinem üblichen Prozedere den Kläger am 31.05.2006 nicht darüber unterrichtet hat, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente gemäß § 237 SGB VI derzeit nicht gegeben sind, der Kläger diese jedoch durch Arbeitslosmeldung und Nachzahlung von Pflichtbeiträgen noch herbeiführen kann.

Dafür sprechen auch die glaubhaften und glaubwürdigen Angaben des Klägers bei der Anhörung durch den Senat. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der Kläger als Prozesspartei ein erhebliches finanzielles Interesse am Prozessausgang hat. Andererseits könnte auch der Zeuge M. ein Interesse daran haben, die Folgen einer von ihm verschuldeten Amtspflichtverletzung von der Beklagten abzuwenden.

II.

Der Beratungsfehler des Zeugen M. war ursächlich dafür, dass der Kläger keine gesetzliche Altersrente gemäß § 237 SGB VI erhält. Der Kläger konnte nach dem 31.05.2006, was zwischen den Parteien wohl unstreitig und auch aus der erstinstanzlichen Aussage des Zeugen M. ersichtlich ist, bis zur Vollendung des 60. Lebensjahres noch die Voraussetzungen für die Gewährung einer Altersrente gemäß § 237 SGB VI schaffen.

Der Senat ist angesichts der damit verbundenen erheblichen, die Nachteile bei weitem übersteigenden finanziellen Vorteile für den Kläger auch davon überzeugt, dass der Kläger, wenn er entsprechend unterrichtet gewesen wäre, von dieser Option Gebrauch gemacht hätte.

III.

Der Zeuge M. hat schuldhaft im Sinne von § 276 Abs. 1 BGB gehandelt.

IV.

1. Dem Kläger ist im Zeitraum von der Vollendung des 60. Lebensjahres bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres ein monatlicher Rentenbetrag von € 1.468,– entgangen. Soweit der Kläger rückständige Rente einklagt, ergibt sich damit ein Betrag von € 27.892,– (19 x € 1.468,–).

Von diesem Betrag sind im Wege der Vorteilsausgleichung € 4.299,84 zum Abzug zu bringen. Der Kläger hätte, um die Anspruchsvoraussetzungen zu schaffen, für 18 Monate Pflichtbeiträge nachzahlen müssen. Pro Monat wäre eine Nachzahlung von € 238,88 angefallen. Ob und in welchem Umfang niedrigere monatliche Beträge von € 232,05 angefallen wären, hat der Kläger nicht hinreichend substantiiert dargetan. Mithin ergibt sich insoweit ein ersatzfähiger Betrag von € 23.592,16.

Soweit die Beklagte mit Schriftsatz vom 18.07.2011 bestritten hatte, dass, wie vom Kläger gerade aufgrund einer Auskunft der Beklagten vorgebracht, sich der monatlich nachzuzahlende Betrag auf € 238,88 belaufe, war dies unbehelflich. Die Beklagte, die insoweit über ein allen anderen überlegenes Rechts- und Tatsachenwissen verfügt, hätte sich nicht darauf beschränken dürfen, das Vorbringen des Klägers, das obendrein auf ihrer eigenen Auskunft beruht, nur zu bestreiten. Vielmehr wäre die Beklagte gehalten gewesen, eine mit Argumenten unterlegte Gegenrechnung aufzumachen.

2. Der Vorteil, der dem Kläger dadurch entsteht, dass seine reguläre Altersrente nicht um 18 % gekürzt ist, kann vom Senat zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht berücksichtigt werden. Der Senat kann bei der Schadensberechnung nur solche Vorteile ausgleichen, deren Anfall zuverlässig fest steht. Dies ist bei dem vorgenannten Umstand nicht der Fall. Es ist möglich, dass der Kläger vor seinem 65. Geburtstag verstirbt.

Da die Beklagte diesbezüglich auch keinen hilfsweisen Feststellungsantrag erhoben hat, bleibt es ihr überlassen, gegebenenfalls den Vorteil des Klägers in geeigneter Weise geltend zu machen.

Entsprechendes gilt, soweit die Beklagte im Schriftsatz vom 26.05.2011 auf einen nach ihrem Dafürhalten möglichen Bezug einer vorgezogenen Altersrente für langjährige Versicherte nach § 36 SGB VI durch den Kläger hingewiesen hat. Es ist derzeit jedenfalls völlig offen, ob der Kläger einen entsprechenden Rentenantrag stellen wird. Ein solcher Antrag kann der Beklagten nicht verborgen bleiben. Sie muss dann die geeigneten Maßnahmen ergreifen.

3. Der Senat hat, da Rechtsgrund für den zugesprochenen Rentenbezug durch den Kläger nicht das Sozialgesetzbuch, sondern das Urteil des Senats ist, klarstellend in den Tenor aufgenommen, dass das Bezugsrecht endet, wenn der Kläger vor seinem 65. Geburtstag verstirbt.

4. Vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren wurden vom Kläger nicht hinreichend substantiiert dargetan. Der Kläger ist auch der Behauptung der Beklagten nicht entgegen getreten, dass eine etwaige Erstattungsforderung auf die Rechtsschutzversicherung des Klägers übergegangen ist.

V.

Soweit der Kläger über das Sozialversicherungsrecht hinausreichende Schäden geltend macht, sind diese nicht ersatzfähig. Ein ersatzfähiger Schaden muss nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde (Palandt-Grüneberg, 70. Aufl., Rn. 29 vor § 249 BGB mwN). § 14 SGB I räumt jedem Versicherten einen Anspruch auf Beratung über seine Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch ein. Diese Beratungspflicht, die die Beklagte verletzt hat, dient damit nur der Wahrnehmung und Optimierung der sozialversicherungsrechtlichen Position des Versicherten. Außerhalb des Sozialversicherungsrechts eintretende Schäden einer Fehlberatung liegen nicht im Schutzzweck des § 14 SGB I. Der Rentenversicherungsträger kann für Schäden, die nicht auf sozialversicherungsrechtlichem Gebiet eintreten, nicht haftbar gemacht werden.

VI.

Die Zinsentscheidung folgt aus §§ 288 Abs. 1, 291 ZPO. Ein darüber hinausgehender Verzugsschaden ist nicht hinreichend dargetan.

B)

I.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 1, 97 Abs. 1 ZPO.

II.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

III.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO sind nicht gegeben.

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